„Malaika“ Kurzgeschichte inspiriert von @herzblut_poesie‘s wundervollem Bild und als Beitrag zum #GefuehleTuppern von @words.worte Thema „mutig“

Damals, als das kleine, zarte, rothaarige Mädchen mit den intensiven, tiefgründigen Augen, wurde sie stets als fragil, unbelastbar und ständig verängstigt wahrgenommen. Dies entsprach leider auch ihrer eigenen Empfindung, die genährt wurden durch die mehr als respektlosen Aktionen ihrer Mitschülerinnen, die aufgrund ihrer optischen Besonderheit speziell im pubertären Alter, ein Feinbild gegen sie entwickelt hatten . Das führte zu gruppendynamischen Diffamierungen bis hin zu körperlichen Gewaltanwendungen, die ihre Wahrnehmung maßgeblich beeinflusst hatten. An das Gute in den Menschen ihrer Umwelt zu glauben hatte ihr niemand beigebracht deshalb hatte sie sich so stark in sich zurückgezogen, dass sie im Alter von Mitte 20 beschlossen hatte dauerhaft im Wohnhaus der Mutter zu bleiben um sich um diese liebevoll zu kümmern. Sie litt an einer seltenen, besonders aggressiven Form von Skorbut.Skorbut hatte sich aufgrund der allgemeinen Mangelerscheinungen wieder massiv verbreitet und die Bevölkerungszahlen zudem dezimiert.

Ihren Vater hatte sie sehr früh verloren.
Er war in der Schlacht um die „Nachwelt“ in einem grausig, brutalen Blutbad gefallen. Kaum den Truppen beigetreten hatte er sich stets gegen Waffen verweigert und darauf hingewiesen, sein Glaube sei sein Schwert. Er hatte jene Soldaten praktisch sukzessive entmilitarisiert.
Er war zu einer Art „Schlachtmaskottchen„ geworden und man dichtete ihm übermenschliche Fähigkeiten an, die angeblich bereits mehrmals dazu geführt hatten, dass feindliche Soldaten übergelaufen waren und sich den Rebellen angeschlossen hatten.
Diese Fähigkeiten fanden offensichtlich am Tag der bewussten Schlacht ihr jähes Ende, nach dem die Rebellen nach einem vermeintlichen Insider Tipp in einen fatalen Hinterhalt geraten waren.

Zu Beginn hofften die Rebellen, wie schon so oft erfolgreich vollzogen, sich allein mit Mut und reinem Herzen sowie der immensen Überzahl einen Vorteil verschaffen zu können gegen die Truppen der hochtechnisierten „Legion“. Doch letztendlich endete diese Schlacht in einem absehbaren Massaker betreffend der Unausgeglichenheit der Gegner. Die Legionen ließen abertausende Anhänger der Revolution förmlich als Kanonenfutter auf dem Schlachtfeld zurück. Ihren Vater hatten sie inmitten des blutigen Massakers, mit dem Kopf nach unten, an ein selbst gebasteltes Kreuz genagelt, wohl um die Gerüchte um Ihn mit Hohn zu ersticken.

Nachdem Ende des 22. Jahrhunderts ein bis heute betreffend seiner Herkunft nicht geklärter elektronische Virus, die Welt die wir bis dahin kannten, in die Steinzeit zurück geworfen hatte, gab es nur noch einige wenige Bereiche, die mit Energie versorgt werden konnten. Diese waren die Zufluchtsorte der privilegierten Minderheit geworden. Bis auf wenige Millionen dieser Auserwählten war der Rest der Menschheit, der nicht den direkten und indirekten Auswirkungen dieser energetischen, ressourcentechnischen Katastrophe zum Opfer gefallen war, mehr oder weniger im Mittelalter angekommen. Man heizte wieder ausschließlich mit Holz, Elektrizität stand nur in limitierten Zeitfenstern des Tages zur Verfügung und Nahrung war stark limitiert. Dies war auch darauf begründet, dass Ende des 21 Jahrhunderts kaum noch etwas ohne Elektrizität angebaut werden konnte und die wenigen handwerklich und agragtechnisch begabten Überlebenden von den Privilegierten als Sklaven gehalten wurden.
Die vermeintlichen Management Fähigkeiten der restlichen Überlebenden qualifizierten leider nicht maßgeblich im Kampf ums Überleben.

So lebte Sie mit Ihrer Mutter in diesem baufälligen Häuschen in dieser durch Hunger, Armut und Tod geprägten kleinen Randgemeinde der Stadt und der tägliche Kampf ums Überleben hatte an der jungen Frau massgebliche Spuren hinterlassen.  Sie war mit Abstand das jüngste Gemeindemitglied, da alle andern jüngeren Bewohnerinnen und Bewohner entweder Ihr Heil in den verwahrlosten und von Brutalität geprägten Städten gesucht hatten oder von Ihren Eltern an die Späher der Elite, die regelmäßig nach Sklavennachschub suchten, verkauft worden waren. Alle Mitglieder der kleinen, aus mittlerweile lediglich 73 Personen bestehenden, Gemeinde liebten Malaika. Sie war die gute Seele, die immer wieder half, wenn es darum ging, Kranke zu pflegen oder Hinterbliebene zu trösten, wenn wieder jemand aus der Gruppe diese grausame Welt verlasen durfte. Wie oft hatte sie sich selbst gewünscht endlich gehen zu dürfen, um in einer besseren Welt Erlösung zu finden.  Doch ihr Glaube und die kranke Mutter hatten sie glücklicherweise immer wieder davon abgehalten diesbezüglich die falschen Entscheidungen zu treffen und sich der Verzweiflung letztendlich mit allen Konsequenzen hinzugeben.

Ihre Mutter hatte ihr außerdem immer von Ihrer besonderen Bestimmung erzählt und sie beschworen, auf die Kräfte und die Macht die in ihr schliefen zu hören und auf den Moment zu warten, wenn sie sich offenbaren sollten. Immer wieder brachte ihre Mutter dies in den unmittelbaren Zusammenhang ihres eigenen Todes und in letzter Zeit hatte sie vermehrt darauf aufmerksam gemacht weil sie fühle das Ende und der Anfang würden direkt bevorzustehen. Malaika spürte keine Kraft, keine Macht nur Leere und Todesnähe und schenkte den offensichtlichen Fieberwahnvorstellungen Ihrer Mutter keinen Glauben und machte sich nur noch mehr Sorgen um sie. Außerdem raubten ihr die eigenen Schmerzen immer mehr Energie und Zuversicht. Seit Tagen war der Druck im Kreuz, wie aus heiterem Himmel gekommen, immer mehr angewachsen hatte sich immer mehr in den Schulterblättern zentriert. Sie bekam wirklich Angst, nun selbst die Krankheit der Mutter zu bekommen.

Außerdem hatte sie in letzter Zeit immer öfter das Gefühl, dass sie den Schmerz der Menschen um sich herum förmlich spürte und gleichzeitig wusste, wie sie teilweise selbst den Todgeweihten noch Energie spenden konnte, was sie auf der einen Seite faszinierte aber auf der Anderen sehr verängstige. Diese Tatsache führte nun dazu, dass die Sterblichkeitsrate in Ihrer Gemeinde erheblich unter den im Mittel sehr hohen Durchschnitt fiel. Als sich dies sowie ihre trotz der Umstände außergewöhnliche Schönheit bei den Spähern herumgesprochen hatte, die wöchentliche Kontrollen auch in allen außerhalb der Städte besiedelten Gebieten durchführten, wurde die kleine Gemeinde eines frühen Morgens abrupt geweckt als eine Gruppe von Spähern mit einer größeren Anzahl an Soldaten in der Siedlung erschienen war.

Sie selbst war schon lange davor aufgestanden um im benachbarten Wald nach Kräutern und Beeren zu suchen, um die Vorräte der Naturmedizin wieder aufzufüllen und war mit reicher Beute auf dem Heimweg. Als sie sich den Häusern näherte, konnte sie voller Panik erkennen, dass die Soldaten alle Bewohner vor dem Haus ihrer Mutter zusammengetrieben hatten und selbst die Ältesten im Dreck knien mussten.
Als plötzlich ein Schuss ertönte.
Der offensichtliche Anführer der Gruppe hatte in die Luft geschossen um alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und nachdem er sich über den Lautsprecher einer der Hoovercafter, mit dominanter durchdringender Stimme, bemerkbar machte, erfuhr Malaika, dass Sie tatsächlich auf der Suche nach ihr waren und man die Tochter des „Schlachtengels“ suchte. Man hatte sie bereits überall gesucht und die Bewohner befragt, die aber offensichtlich nichts zu berichten hatten. Er drohte an, einen nach dem andern zu erschiessen, wenn sie sich nicht freiwillig ergeben würde.

Alle Ängste ihres Daseins manifestierten sich nun auf einmal in ihr und sie saß wie gelähmt hinter einem Baum, dem Geschehen abgekehrt und konnte keinen klaren Gedanken fassen, geschweige denn sich bewegen. Plötzlich hörte sie ihre Mutter über das Mikrofon sprechen und ihr Blut wäre ihr fast in die Adern gefroren.  Als diese ihr erneut zuredete ihrer Bestimmung zu vertrauen und unverständlicher Weise darauf hinwies, die Angreifer aber zu verschonen egal was geschehen möge, wurde sie vom Anführer unmittelbar mit einem äußerst brutalen Angriff mit einem Nervenlähmer ruhig gestellt. Malaika blickte hinter dem Baum hervor und sah, wie Ihre Mutter ungebremst in den Dreck fiel und ohne jede weitere Bewegung dort liegen blieb. Sie fühlte wie etwas in ihr erstarb und gleichzeitig etwas fremdes, unbekanntes in ihr Gestalt annehmen wollte.

Sie sammelte all ihren Mut, kam hinter dem Baum hervor und rannte so schnell sie konnte zu ihrer geliebten Mutter, die sie nicht mehr in sich fühlen konnte. Sie verspürte keinerlei Angst mehr und konnte nun tatsächlich wahrnehmen, wie eine besondere Kraft in ihr zu wachsen begann. Als sie an den Soldaten, die alle die Gewehre im Anschlag hatten vorbeirannte, erblickte sie den Anführer, der hasserfüllt neben seiner Mutter stand und hämisch grinste. Sie beugte sich zu ihr hinunter, sah in das gänzlich entspannte, Dankbarkeit und Zufriedenheit ausstrahlende Gesicht ihrer Mutter und erkannte, dass sie ihrem Vater gefolgt war.

Sie hob sie auf, legte sie sich in die Arme und wandte sich ab zu gehen, sie fühlte Trauer und Erlösung gleichzeitig aber verspürte keinerlei Furcht oder Angst. Als sie das Klicken des Sicherungsbolzens des Gewehr des Anführers hinter sich hörte, drehte sie sich zu ihm um. Er fuchtelte wild mit dem Gewehr herum, drohte an sie zu erschiessen, wenn sie nicht augenblicklich stehen bleiben würde und dass er die gesamte Gemeinde ausradieren würde, wenn sie nicht freiwillig mit ihm käme. Sie sah ihn nur eindringlich an und als er diesen Mut, die Kraft und Stärke in Ihren Augen sah, schreckte er zurück.

In genau diesen Moment spürte sie ihre wahre Bestimmung und ergab sich ihr in aller Intensität.
Als sich ihre Flügel in all ihrer mystischen Schönheit entfalteten, waren alle um sie Stehenden von deren Schönheit und Anmut unbeschreiblich in ihren Herzen berührt. Sie ging einen Schritt auf den völlig perplexen Anführer zu und berührte Ihn nur ganz leicht mit einer Flügelspitze. Als aller Hass schlagartig aus Ihm gewichen war und er erkannte was geschehen war, brach er in Tränen aus und konnte seine eigene Tat nicht fassen.

Malaika wischte sich die eigenen Tränen aus den Augen, erhob sich mit ihrer Mutter, um diese zum Grab des Vaters zu bringen und konnte nun Wurzeln und Bestimmung ihres Seins final verstehen und ihr Herz füllte sich voll Mut ob der Aufgaben, die vor ihr standen.

8 Comments „Malaika“ Kurzgeschichte inspiriert von @herzblut_poesie‘s wundervollem Bild und als Beitrag zum #GefuehleTuppern von @words.worte Thema „mutig“

  1. Maria 25. April 2021 at 8:04

    Ohhh Matthias, sowas hätte ich auf jeden Fall nicht erwartet! Du hast da soooooviel in diese Geschichte gesteckt. Von Mobbing, Krieg, Angst, Liebe, Glaube, Verzweiflung, Abhängigkeiten, Trauer, Tod, … Unglaublich❗❗❗ Ich habe alles mit einer Intensität wahrgenommen und sowas von nachfühlen können. Diese Geschichte geht mir einfach sehr Nah! Das Ende hat mich auch zu Tränen gerührt 🥺😢. Malaika (der Name ist sehr schön gewählt) hat ihre wahre Bestimmung gefunden. So hat die Geschichte sich trotz all‘ dem Schmerz und dem vorher doch brutalen Leben zum Guten gewendet… Ich Danke Dir für diese sehr intensive zu Tränen rührende Geschichte 🙏🏻🙏🏻🙏🏻

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    1. Matthias Vago 25. April 2021 at 13:42

      Habe bewusst einen Engelsnamen mit M gesucht, weil Du die Inspiration dazu warst… !!!
      Es freut mich unheimlich dass Du die Elemente, die teilweise geplant waren und sich zum größten Teil,
      ehrlicherweise, ergeben haben so intensiv wahrgenommen hast, wie ich dies beim Schreiben empfunden habe …. vielen herzlichen und innigsten Dank dafür 😘😘😘

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      1. Maria 26. April 2021 at 6:49

        Das ist so lieb von Dir 😘😘😘

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        1. Matthias Vago 26. April 2021 at 12:19

          🤗🙏🏼😍

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  2. Speiser Carmen 25. April 2021 at 22:32

    Mystisch schön und berührend geschrieben lieber Matthias. Das Bild von Maria ist sehr stimmig dazu. Ganz wundervoll! 🙏

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    1. Matthias Vago 26. April 2021 at 6:31

      Das freut uns beiden wirklich so dermaßen 🙏🏼🤗 danke dir vielmals Carmen und hab einen guten Wochenstart🍀🤩

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  3. Sanni 27. April 2021 at 15:42

    Eine unglaublich herzberührende Geschichte hast du hier gezaubert, lieber Matthias!
    Mytisch und doch hell und voller Hoffnung . Du hast dich wunderbar von Marias Bild insprieren lassen.

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    1. Matthias Vago 27. April 2021 at 19:49

      Das kam wirklich unmittelbar, als sie es mir gesendet hat 💥🤗🙏🏼

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